Persönlicher Blog über erlebte Traumata, die Auswirkungen auf Körper und Seele und den Weg der Heilung.
Die „Reparatur der Psyche“
Die „Reparatur der Psyche“

Die „Reparatur der Psyche“

Die „Reparatur der Psyche“

 

Stell dir vor, du hast ein Auto. Dieses Auto ist verdammt wichtig für dich…für den Weg zur Arbeit, um dir deinen Lebensunterhalt zu verdienen…für den Transport deiner Einkäufe, um nicht zu verhungern…Fahrten zum Arzt, um deine Gesundheit zu erhalten….zu Freunden, um soziale Kontakte zu pflegen…in den Urlaub, um dich zu erholen. Du weißt, ohne dieses Auto müsstest du gravierendste Einschränkungen in Kauf nehmen. Deshalb pflegst und dein Auto. Du putzt es regelmäßig, bringst es zur Inspektion, lässt Mängel beheben, damit es dir lange erhalten bleibt und zuverlässig funktioniert.

Tust du das nicht, kommt dieses Auto in die Jahre. Der übliche Verschleiß, die ein oder andere Gebrauchsspur. Jemand fährt dir eine Beule in den Karren, der Marder hat sich durch die Kabel gefressen, die Beleuchtung blinkt im Takt der Musik, der Motor stottert und ruckelt.

Spätestens jetzt wird dir klar, dass das Auto in die Werkstatt zur Reparatur muss. Du machst einen Termin, gibst das Auto ab. Bestenfalls bekommst du für die Zeit einen Ersatzwagen. Irgendwann kannst du dein Auto wieder abholen, bezahlst eine Menge, aber der Wagen ist wieder top in Schuss und du kannst davon ausgehen, dass du die nächste Zeit Ruhe hast.

Einer der größten Irrtümer meines Lebens war, dass ich mit meiner Psyche ähnlich verfahren könnte. Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich mich immer besser um meine Autos gekümmert habe, als um mich selbst. Ich hatte andere Prioritäten und habe bis zu einem gewissen Punkt auch meistens sehr gut funktioniert und damit keinen Handlungsbedarf gesehen. So lange, bis ich angefangen habe, zu stottern, zu ruckeln und zu blinken. Da wurde mir klar, ich funktioniere eben nicht mehr und muss zur Reparatur. Ich wollte mich in Therapie begeben, schnell und kurz. Der kompetente Therapeut würde es richten und die Kosten übernimmt die Krankenkasse. Danach wäre ich generalüberholt, gesund und würde wieder funktionieren. Genialer Plan!

Der erfahrene „Gestörte“ wird sich jetzt schon denken können, dass dieser Plan nicht aufging. Um weiterhin bei dem Vergleich mit dem Auto zu bleiben, lief und läuft es in etwa so:

Ich rief in der am besten bewerteten Werkstatt an und musste erfahren, dass es keine Termine gab, oder vielleicht, eventuell, wenn Mars mal wieder auf die Venus trifft, in einem Jahr. Ich weitete meine Bemühungen auf die Zweit-, Dritt- und Viertbesten aus, auch in fernen Galaxien, um überall die gleiche Antwort zu bekommen. Letztendlich kam ein bisschen Glück dazu und ich konnte mein „Auto“ zur Begutachtung vorstellen. Das Ergebnis: da ist einiges im Argen. Ursache: auf Anhieb nicht ersichtlich. Aussage: „Das ist ein „Do-it-yourself“-Projekt, wir reparieren nicht, stellen nur das Werkzeug. Wenn es nicht passt, schauen wir mal. Hier ist eine ziemlich vage und allgemeingefasste Reparaturanleitung. Kommen Sie immer mal wieder zur Lagebesprechung vorbei.“

So, dann stehst du da mit einem ziemlich mager bestückten Werkzeugkoffer und einem Lückentext als Anleitung. Beim echten Auto wären Verschrotten und Neukauf gute Optionen. Es gibt aber leider keinen Markt für Neu- und Gebrauchtpsychen. Bedarf: riesig, Angebot: NULL! Also musst du an diesem Punkt eine Entscheidung treffen: Aufgeben und Sterben oder Reparieren und Leben. Ich habe Letzteres gewählt. Und eines muss ich vorab schon spoilern: es ist ein sehr steiniger, anstrengender und schwieriger Weg, der noch nicht einmal viel Spaß macht. Im Gegenteil, aber es lohnt sich am Ende doch.

Du brauchst einen geeigneten Platz für die Reparatur deines Autos und dir fehlen ständig neue und geeignetere Werkzeuge. Du experimentierst, googelst nach Alternativen, liest dich ein, suchst dir Unterstützung und Hilfe. Du machst kleine Fortschritte, aber auch große Rückschritte. Du freust dich und lachst (anfangs eher selten), du heulst, tobst, verzweifelst und willst aufgeben (eher öfter). Regelmäßig triffst du dich mit deinem Werkstattmeister und hast Glück, wenn du einen gefunden hast, der dich zum Weitermachen motivieren kannst.

Irgendwann bist du vielleicht soweit, dass der Motor wieder anspringt und du wagst eine Probefahrt. Weil du aber leider ohne Licht fährst, fährt dir jemand volles Pfund frontal in den mit viel Aufwand reparierten Motorblock und der ganze Mist beginnt von vorne. Aber dann weißt du, wie es geht und worauf es ankommt.

Die wichtigsten Werkzeuge für deine Reparatur sind Geduld (zur Not strick dir welche), der Wille (den hast du durch deine Entscheidung bewiesen) und ein Ziel (das darfst du ständig ändern). Hast du einmal mit deinem „Projekt“ begonnen und realisierst, dass du Fortschritte machst, kommen nach und nach ganz langsam viele positive Aspekte dazu.

Mein Tipp: Do it yourself (aber nicht ganz yourself, sondern mit Hilfe eines passenden Werkstattmeisters)! Am Ende könnte es gut werden.

Ella